Summa Theologica I
Summa Theologica I | |
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Gegenstand | |
Kategorie: | Schriften |
Typ: | Buch |
Qualität: | IV. Edel |
Lore: | Über die Wissenschaft der Theologie. |
Die Summa Theologica ist eine Reihe von theologischen Schriften aus dem Werke des Thomas von Aquin.
Transkript
Summa Theologica I
1. Gegen die Behauptung, dass die heilige Wissenschaft für den Menschen notwendig sei, scheint die Schrift, die Vernunft und die Erfahrung zu sprechen. Denn die Schrift warnt: „Forsche nicht nach dem, was über deine Vernunft und über deine Natur hervorragt.“ (Eccle. 3.) Die Vernunft ferner hat zum Gegenstande ihrer Forschung das Sein im allgemeinen; dieses Sein aber eläutern nach allen Richtungen hin die philosophischen Wissenschaften, also erscheint eine weitere Wissenschaft als diese letztgenannten nicht notwendig. Dazu kommt, dass gemäß der Erfahrung aller Jahrhunderte es immer ein Wissen über Gott bereits gegeben hat, welches demnach auch „theologia“, Theodicee, genannt worden ist. Es scheint also eine Notwendigkeit für die Existenz einer besonderen „Theologie“, einer sogenannten heiligen Wissenschaft, gar nicht zu bestehen. Auf der anderen Seite aber heißt es II. Tim. 3, 16.: »Jegliche, von Gott eingegebene Schrift ist nützlich, um zu lehren, zu überzeugen, zu bessern, zu erziehen zur Gerechtigkeit.« Die heilige Schrift aber, welche hier als Quelle einer gewissen Kenntnis genannt wird, ist außerhalb aller Zweige der Philosophie, die von der natürlichen menschlichen Vernunft erfunden worden sind. Also erscheint eine solche Kenntnis, die nicht zur natürlichen Philosophie gehört, wenigstens als nützliche.
Ich antworte, es sei für das Heil der menschlichen Natur notwendig, dass außer den philosophischen Wissenszweigen, welche die menschliche Vernunft zum Gegenstande hat, eine Wissenschaft bestehe, die sich auf die göttliche Offenbarung stützt und in dieser ihr leitendes Princip sieht. Die Gründe sind folgende:
1. Der Mensch hat zu Gott Beziehung als zu einem Endzwecke, welcher die Begriffskraft der Vernunft überragt. Denn es steht geschrieben: »Das Auge hat nicht geschaut, o Gott, ohne Dich, was Du bereitet hast denen, die Dich lieben.« (Isai 64.) Der Endzweck aber, soll anders der Mensch seine innere Meinung und sein Handeln danach einrichten und zum betreffenden Zwecke hinlenken, muß notwendigerweise vorher erkannt werden. Deshalb war es eine Notwendigkeit, dass, diesen Endzweck vorausgesetzt, dem Menschen einige Wahrheiten durch Offenbarung mitgeteilt wurden, welche die Begriffskraft der menschlichen Vernunft überragen.
2. Zudem war es auch nach einer anderen Seite hin notwendig, dass der Mensch durch Offenbarung von seiten Gottes unterrichtet würde: nämlich für das leichtere Verständnis der rein natürlichen Wahrheiten. Denn was für Wahrheiten die menschliche Vernunft über Gott erforscht hat, das wissen verhältnismäßig nur wenige; und zwar erkennen sie es mit Zuverlässigkeit erst nach längerer Zeit; und noch dazu unter Beimischung mannigfacher Irrtümer; — und doch hängt von der Kenntnis dieser Wahrheiten das Gesamtwohl des Menschen ab, das ja in Gott besteht. Damit also die Menschen ihr Heil mit mehr Sicherheit und größerer Leichtigkeit finden, war es notwendig, dass sie über die göttlichen Dinge vermittelst der göttlichen Offenbarung unterrichtet würden.
Somit erhellt die Notwendigleit, dass außer den rein philosophischen Wissenschaften, in denen die natürliche Vernunft Maß und Richtschnur ist, auch eine heilige Wissenschaft es gebe, welcher als Stütze, Maß und Richtschnur die Offenbarung dient.